Barrierefrei-Menü
Schrift
NormalGroßSehr groß
Kontrast
NormalStark
Bilder
AnzeigenAusblenden
Leichte Sprache
AusEin
Vorlesen
Vorlesen starten
Vorlesen pausieren
Stoppen
Digitalisierung

Interview mit Daniel Lochmatter über KI inner- und ausserhalb der Branche

Ein Beitrag von Talus Informatik AG am 07. August 2025
Lesedauer: ca. 10min
Interview mit Daniel Lochmatter über KI inner- und ausserhalb der Branche

Künstliche Intelligenz (KI) verändert unsere Arbeitswelt, die öffentliche Verwaltung und den gesellschaftlichen Wandel. Daniel Lochmatter, Experte für digitale Transformation, spricht über die Chancen und Herausforderungen dieser Entwicklung – von Automatisierung über hybride Intelligenz bis hin zur Zukunft beruflicher Identität.

Du stellst dir vor, Du wachst 2050 auf. Was würdest du als erstes machen?
Ja, ich würde mit einem meiner KI-Assistenten sprechen – so wie in einem Science-Fiction-Film, per Sprachsteuerung. Vielleicht erscheint er diskret im Badezimmerspiegel oder sogar als Hologramm in der Dusche. Und währenddessen würde ich mir meinen Kaffee und mein Müsli machen.

Das würdest du noch selbst machen?
Nein, das überlasse ich meinem humanoiden Roboter, der natürlich 5 Minuten vor mir aufwacht und zur Verfügung steht. Es wird keine Bildschirme mehr in meiner Umgebung geben. Alles wird nur noch über Sprache gesteuert, so wie wir Menschen kommunizieren. Und dann werde ich hoffentlich den ersten Menschen treffen.

Gibt es etwas – egal, was KI heute schon kann oder in Zukunft können wird, bei dem du weiterhin sagst: Das ist analog immer noch besser?
Es wird immer Tätigkeiten oder Dienstleistungen geben, die Menschen von Menschen erhalten möchten – besonders dort, wo Empathie eine zentrale Rolle spielt. Das Bedürfnis, mit einem echten Menschen zu interagieren, bleibt bestehen.

Welche nächsten Entwicklungen in der KI sind absehbar, insbesondere im Hinblick auf Effizienzsteigerungen wie bei Deep Seek?
Wir müssen hier grundsätzliche Zusammenhänge sehen. Es gibt immer wieder Zeiten, in denen es so aussieht, als würde sich die Technologie mehr oder weniger linear entwickeln. Die Einsatz- und Automatisierungsmöglichkeiten entwickeln sich hingegen nicht linear, sondern mindestens kubisch. Schon eine Steigerung der Modellfähigkeiten um 10 % kann zu einem exponentiellen Wachstum der Anwendungsmöglichkeiten führen – um den Faktor zwei oder mehr.

Anfang 2023 glaubte man, beim Vortrainieren von Modellen mit menschlichen Daten an eine Grenze zu stossen. Doch kaum hatte sich diese Annahme verfestigt, eröffneten sich neue Möglichkeiten. Insbesondere die Fortschritte im Reasoning, also im logischen Schlussfolgern der grossen Sprachmodelle, sowie die stärkere Anbindung externer Quellen - sei es das Internet oder spezifische Unternehmensdaten - eröffnen völlig neue Potenziale. Die These, dass Sprachmodelle menschliche Intelligenz erreichen oder gar übertreffen können, ist keine Theorie mehr. Die Leistungsfähigkeit auf dem Niveau eines durchschnittlichen Doktoranden wurde vor kurzem erreicht. Dabei geht es nicht darum, die menschliche Intelligenz zu ersetzen, sondern um eine möglichst nahtlose hybride Intelligenz - eine Erweiterung der menschlichen Fähigkeiten durch maschinelle Unterstützung.

Hast du ein Beispiel von solchen hybriden Einsatzmöglichkeiten?
Die Sprachmodelle können für viele Aufgaben eingesetzt werden, etwa für Transkriptionen, Zusammenfassungen, Übersetzungen oder die effiziente Zusammenfassung grosser Mengen schriftlicher Quellen zu einem bestimmten Thema. Statt ein erstes Ergebnis zu nehmen und es manuell weiterzuarbeiten, kann man die KI kontinuierlich verfeinern. Schon heute lassen sich KI-basierte Funktionen in Word oder PowerPoint integrieren. Die KI überarbeitet den Absatz in Echtzeit. KI ist dann nicht nur ein Werkzeug, sondern ein interaktiver Assistent, der Arbeitsprozesse optimiert und entweder Effizienz oder die Ergebnisqualität steigert; zuerst nur marginal, aber zunehmend signifikant.

Glaubst du, dass ChatGPT von der Masse angenommen wird? Und muss der Umgang mit Chatbots geschult werden?
Ein kluger Ansatz ist, sich kontinuierlich mit KI zu beschäftigen und deren Anwendung im Alltag bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu üben, auch wenn das Ergebnis zu Beginn nicht immer zufriedenstellend sein wird. Oft ist man selbst der limitierende Faktor, und zwar auf zwei Ebenen

  1. Die Art der Interaktion mit der KI. Wie bei der Kommunikation mit Menschen ist es wichtig, den Kontext und die Gestalt des erwarteten Ergebnisses zu klären. Genauer artikulierte Erwartungen führen zu passenderen Ergebnissen.
  2. Die eigene Vorstellungskraft. Die meisten Menschen haben noch keine klare Vorstellung von Einsatzmöglichkeiten generativer KI. Aber man gewinnt mit der Zeit ein Gespür dafür, je mehr man sie nutzt.

Eine grundlegende Auseinandersetzung mit KI ist unvermeidlich. Wer sich damit auseinandersetzt, wird langfristig einen Vorteil haben.

Was würdest du jemandem sagen, der Angst vor dieser technologischen Entwicklung hat?
Das ist eine normale Entwicklung. In der Geschichte der Menschheit gab es immer technologische Veränderungen. Davor hatten die Menschen immer Angst. Aber es entstanden immer mehr Arbeitsplätze.
Es ist aber nicht sicher, ob es diesmal genauso sein wird. Es ist gut möglich, dass neue Aufgaben geschaffen werden. Wohin das führt, bleibt abzuwarten. Was ich klar sagen möchte, ist: Nicht die KI wird einem den Job wegnehmen, sondern jemand, der sie produktiver einsetzt. Durch den Einsatz von KI ist eine Effizienzsteigerung um den Faktor 2, 5 oder vielleicht sogar 10 möglich. Wer sich dieser Entwicklung nicht anpasst, wird es schwer haben.

Technologische Entwicklungen haben in der Vergangenheit nicht dazu geführt, dass wir weniger gearbeitet haben. Könnte es diesmal anders sein?
Heute arbeitet man 40 bis 42 Stunden, vor 100 Jahren waren es deutlich mehr. Die Effizienzsteigerung ist da. Vielleicht hält sich nicht jeder Büromensch an die 42 Stunden. Es gibt aber Beispiele, wo Selbstständige sagen, sie arbeiten noch mithilfe von Automatisierung zwei bis drei Stunden für das, was sie vorher in zehn Stunden gemacht haben, und das bei gleichem Einkommen.

Ich glaube, dass die Arbeitswelt sich wandeln wird. Das wird durch den Einsatz von humanoiden Robotern schneller gehen als gedacht. Das wird nicht nur Büroarbeitsplätze betreffen. Sensorik und Motorik sind inzwischen weit genug entwickelt. Und KI ist universeller einsetzbar.

Welche neuen Möglichkeiten eröffnet der technologische Fortschritt für die öffentliche Verwaltung, insbesondere im Hinblick auf Effizienz, Automatisierung und Bürgernähe?
Die klassische Prozessautomatisierung kann konsequent weiterentwickelt werden. Ein Beispiel ist die manuelle Bearbeitung von Belegen oder Anträgen, die KI effizienter erledigen könnte. Dafür ist eine differenzierte und rationale Herangehensweise zum Thema Datenschutz und Datensicherheit erforderlich. Vorsicht und Ernsthaftigkeit sind gefragt, ohne sich von Ängsten blockieren zu lassen. Datenschutz und Datensicherheit sind immer eine Frage der Abwägung, Umsetzung und Risikoanalyse. In der öffentlichen Verwaltung gibt es hier noch Hürden. Man spricht seit Jahren von "Digital Trust" – dem Vertrauen in digitale Prozesse und Technologien. Dieses Vertrauen ist unabdingbar, um neue, effizientere Prozesse zu etablieren, ohne dabei den Datenschutz oder die Sicherheit zu gefährden.

Das Schöne an der KI ist, dass man keine Programmiersprache mehr lernen muss, sondern in der Alltagssprache kommunizieren kann. Bedeutet das, dass gute Kommunikationsfähigkeiten für die KI-Interaktion wichtig sind?
Ja genau, und jetzt wird es langsam ungewöhnlich: Mithilfe von Power Automate können M365-Nutzer Prozessautomatisierungen erstellen und durchführen lassen. Solche Automatisierungen können wiederum zunehmend mithilfe von KI erstellt werden– also programmiert man KI mithilfe von KI! Klassische Programmierkenntnisse werden dadurch zunehmend obsolet, zumindest für die ersten 80-90% der angestrebten Lösung.

Kannst du mir die wichtigsten KI-Tools nennen, die du jedem empfehlen würdest?
Fast jeder mit einer M365-Lizenz hat Zugang zu Microsoft Copilot. Mit einer zusätzlichen Lizenz ist auch die Integration in SharePoint- und Outlook-Daten möglich. Ein grünes Häkchen im Firmenaccount zeigt an, dass Daten geschützt und verschlüsselt werden. Keine Daten gehen an OpenAI, sondern zu Microsoft. Also der Firma, der man ja als M365-Nutzer sowieso sein Vertrauen ausgesprochen hat.
Perplexity recherchiert umfassend und erstellt Zusammenfassungen mit zahlreichen, verifizierbaren Quellenangaben. Die Nutzung ist effizient und quasi ein besseres Google.
Power Automate ist ideal für alle Büromitarbeiter, die in die Automatisierung einsteigen wollen. Beispielsweise Abwesenheitsnotizen für Teilzeitkräfte generieren kann. Diese Technologie ist dafür da, von der Arbeit im Prozess zur Arbeit am Prozess zu gelangen.

Dieser Artikel und weitere in der letzten IKUMA Ausgabe 🤖👩🏽‍💻📱

Beitrag teilen

Deine Cookie Einstellungen

Um unsere Webseite für Dich optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmst Du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen hierzu erhaltest Du in unseren Datenschutzinformationen.

Notwendige Cookies werden immer geladen